Zwischenstand
Richtfest: April 2019
Erläuterungsbericht von kister scheithauer gross
Städtebau
Der erste Bauabschnitt entwickelt sich einerseits aus Bindungen und Verbindungen zum Ort und andererseits aus einer Autonomie oder Eigenständigkeit als Architekturobjekt. Beide Aspekte sind für den Entwurf prägend und bilden am Ende eine bauliche „Persönlichkeit“ aus, die als Auftakt zum Klinikum und dem Stadtteil eine klare Aussage macht.
Bindungen
Aufgrund der Topographie ist das Gebäude aufgeständert und macht einen Steg bzw. eine Fußgängerbrücke notwendig, der/die weiterführend auch den Park näher an die Straße heranrückt. Der Steg erschließt nicht nur den 1. BA für Fußgänger, er ist auch Andockstelle für den 2. BA. Die Kanalführung, die diagonal das Grundstück beschneidet, wirkt geradezu „städtebaulich“ prägend auf das Gebäude. Der Entwurf fängt das auf ohne davon zu erzählen.
Verbindungen
Die Situation ist geprägt durch den Plan einer modernen Stadt, die mit großvolumigen Baukörpern eine fließende Stadtraumlandschaft darstellt. In diesem Kontext einer „suprematistischen“ Moderne muss sich der Neubau als Solitär behaupten. Er darf in seiner Höhe ein bis zwei Geschosse über den Höhen von 35 m der liegenden Scheiben hinausragen, um sich als Zeichen der Vertikalität in den Stadtraum einzuschreiben.
Ein weiterer Moment der Verbindung ist der diagonale Bezug zu den Naturräumen, sei es der Park oder der Blick zur Lobdeburg mit der Bergkulisse. Beide städtebaulichen Bewegungsrichtungen - das Lineare und das Diagonale - überlagern sich an dem Ort und entwickelt eine bauliche Gravitation aus den jeweiligen Richtungen. Die Orientierung der Wohnungen zur Lobdeburg und der Verweis des Atriumfensters zur Klinik erlaubt es, dass die Nutzungen im Gebäude Verbindungen zu den Referenzen der Umgebung aufnehmen.
Autonomie
Die Form des Gebäudes, das sich aus Bindungen und Verbindungen entwickelt, ist gleichwohl eine eigenständige Skulptur, die verstärkt durch die metallene Außenhaut etwas Neues und „Spektakuläres“ darstellen kann. Das Fassadenrelief ist aus dem Raster von schrägen Metallverkleidungen gebildet, durch den Schattenwurf wirkt sie raumhaltig. Durch schräge Metallflächen wird die städtebauliche Positionierung auch im Detail widergespiegelt. Es wird eine tektonische Struktur sichtbar, die auch die Nutzungen ablesbar werden lässt - aber dies innerhalb der gestalterischen Ordnung der Gesamtskulptur.
Nutzungen
Die Eingangsebene ist über den Steg erschlossen. Eine Anfahrt für PKWs ist über das Untergeschoss organisiert, so dass der zentrale Erschließungskern auf zwei Ebenen erreicht werden kann. Das Erdgeschoss als Straßenebene ist großflächig aufteilbar und nimmt neben dem Café weitere Dienstleistungen auf, die über die Eingangshalle oder direkt vom Steg erreichbar sind. In der Eingangshalle wird ein Empfang zur Orientierung vorgeschlagen, ebenso ein Raum z. B. für Kinderwagen oder Fahrräder von Patienten, die zu den Ärzten gehen möchten.
Die Verwaltung der Klinik beginnt im 1. Obergeschoss mit einem Empfangsbereich, der den Besuchern den Blick in das Atrium und in den Park öffnet. Das Atrium als zentraler Identifikationsraum der Büros kann mehrfach gelesen werden. Erstens ist er Foyer für die Besprechungs- und Konferenzräume und kann größere Versammlungen aufnehmen, z. B. Betriebsversammlungen oder festliche Anlässe der gesamten Belegschaft. Er ist zweitens Klimapuffer und schafft auch im Winter angenehme Aufenthaltsmöglichkeiten. Das Atrium ist drittens über eine Wendeltreppe von jedem Stockwerk einsehbar und ist somit auch die notwendige interne räumliche Verbindung über die Geschosse innerhalb der Verwaltung. Viertens und nicht zuletzt ist die Orientierung des Atriums zur Klinik auch der kollektive Bezug der Verwaltung zum Mittelpunkt der Aufgabe.
Die Geschossebenen, die durch die Stege an der Fassade des Atriums als Rundlauf organisiert sind, erlauben flexible Wege innerhalb der Abteilungen und vermeiden auch für die Entfluchtung Sackgassensituationen. Ein 2. Fluchtweg in einen anderen Brandabschnitt ist jederzeit gewährleistet.
Zur Büroverteilung erlauben die Gebäudetiefen verschiedene Situationen von Einzelbüros, Teamarbeitsplätzen oder Sharedspacebereichen. Eine genaue Abstimmung müsste in der weiteren Planung erfolgen. Die Diskrepanz zwischen den ursprünglich geforderten 2.500m2 Nettogrundfläche Büro und dem Raumprogramm für 204 Arbeitsplätzen versucht der Entwurf mit einer wirtschaftlichen Strategie aufzulösen. Ein 5. Geschoss kann nach Aufteilung in Einzel- und Teamarbeitsplätze sowohl zur Erfüllung des Raumprogramms herangezogen, als auch durch einen höheren Anteil an Team- oder Sharedspaces (als moderne Büroform) anderweitig vermietet werden. Insofern die Zahl der Arbeitsplätze auch eine Zielzahl darstellt, die zu einem späteren Zeitpunkt erreicht werden soll, kann das 5. Obergeschoss zwischenzeitlich attraktiv vermietet werden. Die Ausbauoption für die Verwaltung ist damit innerhalb des Hauses möglich, ohne Arztpraxen aufzugeben. Die Grundrisse zeigen in den Geschossen unterschiedliche Büroorganisationen, die im Weiteren gemeinsam entschieden werden müssten.
Wohnen
Jede Wohnung soll und hat Lobdeburgblick. Küchen, Essräume und Wohnzimmer sind als durchgesteckte, dreiseitig belichtete und großzügig verglaste Räume entwickelt, die auf besondere Weise die Panoramawirkung der Situation ausspielen. Die Balkone sind nach Süden orientiert und mit Schiebefenstern gegen den Wind gerüstet. Eine ganzjährige Nutzung ist gewährleistet.
Die Wohnungsgeschosse liegen streng übereinander und können bei städtebaulichen Konsens um ein Geschoss erhöht werden. Die Gebäudeskulptur lässt eine Erhöhung zu. Es bedarf der städtebaulichen Gesamtbetrachtung, die wir als Verfasser nicht allein führen können.
Innerhalb der Grundstruktur der Wohnungen sind Varianten möglich, die individuelle Lebenssituationen abbilden können. Es ist möglich, innen gleiche Wohnungen anzubieten oder bestimmte Varianten pro Geschoss fest zu planen. Die Schachtführungen sind davon unabhängig. Das besondere und außergewöhnliche der Wohnungen liegt in der exponierten Orientierung und wird aus dem Inneren erlebbar. Die Materialität des Metalls wird auch hier verwandt aber als flache bodentiefe Elemente mit schallgedämmten Öffnungselementen hinter Lamellen. Lüftung ist hier möglich ohne störende Windeinflüsse und Geräuschimmissionen der Straße.